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Wer kam zuerst, der Hase oder das Ei?
Jahrhundertelang scheint der Hase rein gar nichts mit dem Osterfest zu tun gehabt zu haben. Erst Aufzeichnungen von vor etwa 350 Jahren beschreiben ein Brauchtum im Elsass, aber auch für Pfalz und Oberrhein, nach dem der Hase am Ostersonntag rote Eier ins Osternest legt. Andernorts dachten seinerzeit die Kinder, es wäre ein Storch, ein Fuchs, oder gar der liebe Gott selbst, der ihnen die gefärbten Eier bringt. Besonders absurd erscheint die in einigen Regionen herrschende Vorstellung, die Ostereier kämen von den "aus Rom heimkehrenden Glocken". Letztendlich hat sich jedoch der Osterhase als Überbringer der Eier überregional durchgesetzt. Das am weitesten zurück datierte Dokument, das seine Existenz belegt, ist eine Abhandlung des Heidelberger Mediziners Georg Franck von Franckenau ("De ovis paschalibus - von Oster-Eyern", 1682), der darin vor dem Verzehr allzu vieler Ostereier warnt.
Wie es zu dem Jobmodell Hase-Ei kam, ist weiter nicht in Erfahrung zu bringen. Fest steht lediglich, dass der Hase neben dem Ei im Volksglauben auch ausserhalb der christlichen Mythologie weit zurück liegende Wurzeln hat. Dabei stehen sowohl Hase als auch Ei nicht ausschliesslich für Fruchtbarkeit, sondern weisen zudem auch häufig auf ein Leben nach dem Tod hin. In dieser Funktion diente das Ei beispielsweise häufig als Grabbeigabe. Warum der Hase im Christentum zunehmend an Bedeutung verlor, und erst spät wieder belebt wurde, während das Ei weiterhin dem christlichen Brauchtum erhalten blieb, ist nicht überliefert.
Im alten Byzanz galt der Hase einige Zeit als Sinnbild für Tod und Auferstehung Christi. Also könnte er zu dieser Zeit kurzzeitig eine Bedeutung für das Osterfest gehabt haben. Als fest verankertes Symbol für Leiden und Auferstehung Christi existierte jedoch bereits seit dem Urchristentum das Osterlamm (Agnus Dei), so dass eigentlich keine Notwendigkeit bestand, ein weiteres Symbol dafür zu etablieren. Spätestens seit dem frühen Mittlealter, wo der Hase unter Papst Zacharias (*679- 752) als unreines Tier galt, hätte er als Symboltier für den Gottessohn ohnehin abgeschafft werden müssen. Tatsächlich weist die Bibel im alten Testament eine Passage aus (Leviticus 11, 6), die den Hasen als unrein bezeichnet. Zwar ist die dazu erbrachte Begründung (der Hase wäre ein Wiederkäuer ohne gespaltene Klauen) schlicht unrichtig, weswegen man dieser Feststellung möglicherweise häufig keine Bedeutung beimaß, aber an der Aussage, der Hase wäre unrein, war erstmal nicht zu rütteln.
Womöglich resutliert daraus die Tatsache, dass der Hase im christlichen Brauchtum der Neuzeit zunächst keine Beachtung fand. Trotzdem blieb er unabhängig davon in vielen Kulturen ein fester Bestandteil der Folklore. So existiert in der chinesischen Mythologie bis heute der Mondhase Yutu, der ein Elixier herstellt, das ewiges Leben verleiht. In anderen ostasiatischen Mythen ist der Mondhase als ein Wesen überliefert, das sich selbst opferte, um das Leben eines anderen zu retten. Auch aus der mexikanischen Folklore ist ein vergleichbarer Mythos bekannt. All diese Mythen haben eines gemein: sie betonen das Moment des "sich Opferns", dem zur Belohnung das ewige Leben in einem ausserirdischen Kontext folgt. Das Abbild des Hasen auf dem Mond soll nicht nur an die Opferbereitschaft des Hasen erinnern, sondern fordert die Menschheit gleichzeitig dazu auf, Mitmenschen die in Not geraten sind, zu unterstützen.
Innerhalb des Christentums ist dem Hasen eine vergleichbare Symbolkraft genommen worden. Was blieb, war die naheliegende Verwertung als Sinnbild für Fruchtbarkeit. Nur in dieser Funktion war es überhaupt möglich, ihn als Symboltier für das Osterfest wiederzubeleben. Was sich daraus entwickelte, ist eine recht oberflächlich gezeichnete und mehr der Unterhaltung der Kinder dienende Figur des vor sich hinbastelnden Eieranmalers.
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