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Diese Bemerkung geht auf den altrömischen Dichter Martial zurück, der sich seinerzeit großer Popularität erfreute. In erster Linie wollte Martial mit seinem Ausspruch wohl zum Ausdruck bringen, dass Hasenfleisch überaus schmackhaft wäre. Allerdings glaubten seine Zeitgenossen auch, dass das Verspeisen eines Hasen Anmut und Schönheit verleiht, was der Dichter möglicherweise ebenfalls im Sinn gehabt hatte. Dass man dabei angeblich auch Gefahr lief, melancholisches Blut zu bekommen, interssierte ihn vermutlich nicht.
Auch der Volkskundler Carl J. Steiner, der sich ausführlich mit der Bekanntheit der Tiere im Volksglauben beschäftigte, erwähnt Martial in seinen Schriften. Ihm ging es dabei aber nicht darum, zu belegen, wie gut den alten Römern das Hasenfleisch schmeckte. Vielmehr wollte er aufzeigen, wie bedeutungsvoll der Hase schon damals für das Brauchtum war. Dass dieser bei aller Bekanntheit zudem einen guten Braten abgab, tut der Glaubwürdigkeit seiner Beweisführung keinen Abbruch. Der Hase ist zwar einerseits fest in der Folklore verankert, aber eben noch lange keine heilige Kuh. Er ist zwar berühmt, aber sein Image ist das einer gewöhnlichen Kreatur aus dem Volk, die sich durch das ein- oder andere Extra auszeichnet.
Dass neben dem Hasen noch zahlreiche andere Tiere die Folklore beleben, muss nicht weiter bewiesen werden. Die Maus (Micky Maus) oder die Kuh (Milkakuh) sind gute Beispiele dafür, wie unterschiedlich die Felder sind, die dabei bespielt werden. Der Adler bewährt sich staatstragend als Wappentier, und der Hirsch hat sogar den sagenumwobenen Rang als König des Waldes geschafft.
Auch der Hase taucht in vielen dieser Kategorien auf, aber eine majestätische Ausstrahlung wie die des Hirschen ist für den Hasen nicht hinzukriegen. Nicht nur wegen seiner geringeren Körpergröße, sondern vor allem wegen der Abwesenheit eines Geweihs. Trotzdem kennt man in einigen Ländern Darstellungen von Hasen mit kleinen Geweihen. Als Hörnerhase (auch Rasselbock, Rasselgeiß) taucht er in Thüringen und Sachsen auf. Aber auch in den westlichen USA weiss man von gehörnten Hasentieren zu berichten (Jackalope). Ähnliche Fabelwesen, die immerhin auch signifikante Körperteile des Hasen aufweisen, sind aus Bayern (Wolpertinger) und Schweden bekannt (Skvader).
Aber was steckt hinter der Idee, dem Hasen Hörner zu verpassen? Möglicherweise ist es nichts weiter als ein großer Spaß für Tierpräparatoren. Vielleicht bedeutet es aber auch mehr. Beispielsweise den Versuch, dem Hasen mehr Respekt zu verschaffen, indem man ihn in die Nähe des Hirschen rückt. Anders als der Hase gilt der Hirsch als majestätisch und steht für Männlichkeit und Stärke. Ein Hase mit Geweih ist wenigstens ein bisschen Hirsch und sieht als solcher stattlicher und respekteinflößender aus. Die Trickserei mit dem Geweih ist zwar durchschaubar, aber irgendwie street-smart und als solches eine Auszeichnung. Zudem ist der Hase nicht mehr derjenige, der sich versteckt und in der Grube drückt, sondern er steht aufrecht und trägt stolz und wehrhaft seinen Kopfschmuck. Er ist selbstbewußt. Er ist DA.
Ein anderes Erklärungsmuster für die Entstehung der Hörnerhasen ist auf eine 1932 das erste mal beschriebene Entdeckung des Virologen Richard Shope zurückzuführen. Es war ihm gelungen, bei Kaninchen ein Virus nachzuweisen (Shopes Kaninchenpapillomvirus), das bei daran erkrankten Tieren hauptsächlich in der Kopfregion die Entstehung hornartiger Auswüchse zur Folge hat. Vor allem wenn sie in Ohrennähe wachsen entsteht leicht der Eindruck, das Tier trüge ein Geweih. Die Sichtung derartig erkrankter Tiere in freier Wildbahn konnte durchaus glauben machen, dass es eine äußerst seltene, aber völlig natürlich vorkommende Kaninchenart wie den Hörnerhasen gäbe.
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